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Klage gegen Aesthetify: Riskieren DR. RICK & DR. NICK eine Verurteilung für das Wohl ihrer Patienten?
Veröffentlicht am 05. Oktober 2025 / in: Zivilrecht / Medizinrecht
Am 31. Juli 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil gefällt, das die Schönheitsbranche in Deutschland bewegt: Die Aesthetify GmbH, bekannt durch die beiden Ärzte-Influencer „DR. RICK & DR. NICK“, darf ihre ästhetischen Behandlungen nicht mehr mit Vorher-Nachher-Bildern in sozialen Medien bewerben. Grundlage dafür ist das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das solche Darstellungen bei medizinisch nicht notwendigen Eingriffen untersagt.
Die Entscheidung ist von hoher Tragweite: Sie bestätigt, dass das Verbot nicht nur für klassische Operationen mit Skalpell gilt, sondern auch für minimalinvasive Eingriffe mit Spritzen, etwa die Unterspritzung mit Hyaluron oder Botox. Damit hat der BGH die bisherige Rechtslage klargestellt – und zugleich eine Debatte neu entfacht: Wo endet Werbung, wo beginnt Information?
Aesthetify selbst betont, dass Vorher-Nachher-Bilder keineswegs reißerische Reklame sind, sondern ein Mittel der Transparenz. Sie sollen Patientinnen und Patienten helfen, realistische Erwartungen zu entwickeln und sich vor unnötigen, riskanteren Operationen zu schützen. Denn minimalinvasive Behandlungen sind in der Regel sicherer, schonender und leichter durchzuführen als klassische Schönheitsoperationen. Vorher-Nachher-Fotos machen diesen Unterschied sichtbar. Genau darin liegt der Wert, den Aesthetify für Verbraucher sieht – ein Wert, den das aktuelle Verbot leider einschränkt.

Das Wichtigste in Kürze
✔ BGH-Urteil vom 31. Juli 2025: Vorher-Nachher-Bilder sind auch für minimalinvasive Eingriffe wie Hyaluron- oder Botoxbehandlungen verboten.
✔ Rechtsgrundlage: § 11 HWG untersagt solche Darstellungen bei ästhetischen Eingriffen ohne medizinische Notwendigkeit.
✔ Begründung: Bilder wirken besonders suggestiv und können Verbraucher:innen unsachlich beeinflussen.
✔ Aesthetify-Argumentation: Fotos zeigen reale Ergebnisse, schaffen Transparenz und helfen, unnötige riskante Operationen zu vermeiden.
✔ Ausblick: Das Urteil schafft Rechtsklarheit, wirft aber die Frage auf, wie Patient:innen künftig transparent über Behandlungsergebnisse informiert werden können.
Hintergrund des Falls
Die Beklagte, die Aesthetify GmbH, ist ein Unternehmen im Bereich ästhetischer Medizin. Gegründet von den Ärzten Henrik Heüveldop und Dominik Bettray, bekannt unter ihren Social-Media-Namen „DR. RICK & DR. NICK“, bietet sie minimalinvasive Behandlungen an. Dazu gehören Unterspritzungen mit Hyaluronsäure oder Botulinumtoxin zur Modellierung von Lippen, Nase oder Kinn.
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand die Werbung auf Instagram. Dort veröffentlichte Aesthetify Vorher-Nachher-Bilder, die den Zustand der Patienten vor und nach der Behandlung zeigten. Diese bildhafte Darstellung sollte das Ergebnis dokumentieren und Interessierten eine konkrete Vorstellung von den Behandlungsmöglichkeiten vermitteln.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sah hierin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Nach ihrer Auffassung sind solche vergleichenden Darstellungen geeignet, Verbraucher – insbesondere junge Menschen – unsachlich zu beeinflussen. Sie mahnte Aesthetify ab und erhob schließlich Unterlassungsklage.
Rechtlicher Rahmen
Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) enthält spezielle Vorgaben für die Werbung im medizinischen Bereich.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG ist es untersagt, für operative plastisch-chirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit mit Vorher-Nachher-Bildern zu werben.
Der Zweck der Vorschrift ist der Schutz der Verbraucher. Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass durch suggestive Bildvergleiche ein unrealistischer Eindruck vom Behandlungserfolg entsteht. Werbung mit Vorher-Nachher-Darstellungen wird als besonders geeignet angesehen, Ängste und Wünsche anzusprechen und dadurch eine Entscheidung für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zu fördern.
Strittig war in diesem Verfahren vor allem, ob die von Aesthetify angebotenen minimalinvasiven Behandlungen – also Injektionen mit Hyaluron oder Hyaluronidase – unter den Begriff des „operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs“ fallen. Klassische Operationen mit Skalpell waren ursprünglich Zielrichtung der Vorschrift. Ob auch Unterspritzungen erfasst sind, war bislang nicht höchstrichterlich entschieden.
Der Prozessverlauf
Erstinstanz: OLG Hamm
Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte Aesthetify mit Urteil vom 29. August 2024 zur Unterlassung der streitigen Werbung. Das Gericht stellte fest, dass auch eine Unterspritzung mit Hyaluron einen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstellt. Begründet wurde dies damit, dass ein instrumenteller Eingriff am Körper vorgenommen wird, der das äußere Erscheinungsbild verändert. Auf die Frage, ob dabei ein Schnitt erfolgt oder lediglich eine Injektion, komme es nicht an.
Revision: BGH
Gegen diese Entscheidung legte Aesthetify Revision ein. Das Unternehmen machte geltend, die Eingriffe seien keine „Operationen“ im klassischen Sinn. Sie seien minimalinvasiv, schnell durchführbar und mit deutlich geringerem Risiko verbunden als chirurgische Maßnahmen. Zudem sei die Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern nicht als reißerische Werbung zu verstehen, sondern als sachliche Information, die Verbraucher bei ihrer Entscheidung unterstützt.
Der Bundesgerichtshof wies die Revision am 31. Juli 2025 zurück. Er bestätigte die weite Auslegung des Begriffs „operativer plastisch-chirurgischer Eingriff“. Maßgeblich sei, dass ein medizinisches Instrument eingesetzt wird, um Form oder Gestalt des Körpers zu verändern. Dies sei auch bei Injektionen mit Hyaluron oder Botulinumtoxin der Fall. Damit greife das Werbeverbot.
Kernaussagen des BGH-Urteils
Der BGH stellte klar:
Weite Begriffsbestimmung – Operative Eingriffe umfassen auch minimalinvasive Verfahren mit Kanülen oder Injektionen.
Schutzzweck – Ziel des Verbots ist es, Verbraucher vor einer unsachlichen Beeinflussung zu bewahren. Gerade Vorher-Nachher-Bilder erzeugten eine starke Suggestivkraft, die die Entscheidungsfreiheit einschränken könne.
Grundrechte – Weder die Berufsfreiheit noch die Meinungsfreiheit von Ärzten würden unverhältnismäßig eingeschränkt. Die Werbung könne weiterhin sachlich erfolgen, lediglich der Einsatz von Vorher-Nachher-Bildern sei unzulässig.
Für die Praxis bedeutet das Urteil: Vorher-Nachher-Bilder sind bei der Werbung für Schönheitsbehandlungen grundsätzlich untersagt, auch wenn es sich um einfache und risikoärmere Verfahren handelt.
Aesthetify hebt hervor, dass diese Entscheidung zwar Rechtsklarheit schafft, aber auch eine wichtige Möglichkeit der Patientenaufklärung einschränkt. Aus Sicht des Unternehmens hätten gerade Vorher-Nachher-Bilder dazu beigetragen, die Unterschiede zwischen einer minimalinvasiven Behandlung und einer riskanten Operation sichtbar zu machen – und damit eine sicherere Alternative zu fördern.
Die Argumentation von Aesthetify
Aesthetify hat im Verfahren wiederholt betont, dass die Verwendung von Vorher-Nachher-Bildern nicht als unsachliche oder reißerische Werbung verstanden werden sollte. Vielmehr gehe es um die sachliche Information der Patienten. Bilder dieser Art dokumentierten reale Ergebnisse und seien ein wichtiges Mittel, um realistische Erwartungen zu schaffen.
Aus Sicht des Unternehmens stellen minimalinvasive Behandlungen eine schonende Alternative zu klassischen Operationen dar. Eingriffe mit Hyaluronsäure oder Botulinumtoxin sind in der Regel ambulant, risikoarm und gut kontrollierbar. Sie erfordern weder Vollnarkose noch eine längere Genesungszeit. Vorher-Nachher-Bilder hätten damit eine aufklärende Funktion, weil sie verdeutlichen, dass sich viele Wünsche nach ästhetischer Veränderung ohne eine große und risikobehaftete Operation erfüllen lassen.
Zudem wies Aesthetify darauf hin, dass das Informationsinteresse der Verbraucher nicht unterschätzt werden dürfe. Wer eine Behandlung in Erwägung zieht, möchte wissen, welche Ergebnisse möglich sind. Die Bilddokumentation helfe, Chancen und Grenzen einer Therapie nachvollziehbar zu machen. Damit werde nicht etwa ein falsches Ideal vermittelt, sondern Transparenz geschaffen.
Stimmen und Reaktionen
Das Urteil des BGH wurde in den Medien breit aufgegriffen. Verbraucherschützer sehen darin einen wichtigen Schritt, um manipulativen Werbemethoden in den sozialen Medien Einhalt zu gebieten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sprach von einem „klaren Signal“ und einer „notwendigen Rechtsklarheit“ für die gesamte Branche.
Juristische Fachmedien hoben hervor, dass der BGH den Begriff des operativen Eingriffs bewusst weit gefasst hat, um auch neue Behandlungsmethoden zu erfassen. Kommentatoren betonten, dass dies zwar eine konsequente Fortführung der bisherigen Linie sei, zugleich aber die Werbemöglichkeiten für Ärzte stark einschränke.
In Fachkreisen gab es auch kritische Stimmen. Vertreter ästhetischer Praxen merkten an, dass das generelle Verbot von Vorher-Nachher-Bildern die sachliche Aufklärung erschwere. Gerade in einem Markt, in dem unseriöse Anbieter mit unrealistischen Versprechungen auftreten, könne Transparenz über echte Ergebnisse ein wichtiger Beitrag zur Patientensicherheit sein.
Fazit und Ausblick
Das Urteil des Bundesgerichtshofs schafft Rechtsklarheit: Vorher-Nachher-Bilder sind in der öffentlichen Werbung für ästhetische Eingriffe grundsätzlich unzulässig, auch wenn es sich um minimalinvasive Verfahren handelt. Damit stärkt das Gericht den Verbraucherschutz, schränkt aber zugleich ein etabliertes Mittel der Patienteninformation ein.
Für Aesthetify bedeutet die Entscheidung, dass ein zentraler Teil der bisherigen Social-Media-Kommunikation nicht mehr zulässig ist. Das Unternehmen akzeptiert dies, weist jedoch darauf hin, dass Verbraucher damit eine wichtige Informationsquelle verloren geht. Vorher-Nachher-Bilder hätten nicht nur Neugier geweckt, sondern auch dabei geholfen, sich bewusst gegen größere und risikoreichere Operationen zu entscheiden.
Die Diskussion ist damit nicht beendet. Vielmehr zeigt sich ein Spannungsfeld zwischen Regulierung und Informationsfreiheit. Künftig könnte es darum gehen, differenzierte Lösungen zu entwickeln – etwa indem Vorher-Nachher-Bilder unter bestimmten Bedingungen, mit klaren Hinweisen und im Rahmen ärztlicher Aufklärung zulässig bleiben. Bis dahin gilt: Transparenz muss auf anderen Wegen vermittelt werden.
Alle Folgen der Serie von DR. RICK & DR. NICK jetzt bei Joyn anschauen:
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Das Wichtigste auf einen Blick
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